2012-11-27

2012-11-26

BEIM ANBLICK DES BILDES VOM WOLF



„Ja, Glamour ist Arbeit. Das weiß jeder hier.“
Fünf kulturschaffende Freunde, Anfang Dreißig, in der Kreativbranche.
Die Zwillinge Jonte, Computergamekomponist, und Pelle, Animationszeichner, Thies, der Spezialist für Texte, seine Exfreundin und Modedesignerin Wanda und Jasper als erfolgreich erfolgloser Filmregisseur. Sie alle sind Anfang des neuen Jahrtausends nach Berlin gekommen, um irgendwas zu machen, was vor ihnen noch keiner gemacht hat - zumindest nicht dort, wo sie herkommen.
Der Autor Jörg Albrecht zeigt in seinem Roman das zerrissene, rhythmuslose Lebensgefühl der Kreativen anhand einer Mischung aus Erzählstruktur, monologischen Einwänden, ständigen Perspektivwechseln und Gedankenskizzen auf. Seine Sprache ist wie die Stadt selbst: Hektisch, ruhelos, manchmal aber auch langatmig und stockend.
Die vier Kreativen bewegen sich zwischen Virtualität und Realität. Sie beginnen, zusammen einen Film zu drehen. Es muss mal wieder was Neues her, ein neues Projekt, eine neue Aufgabe, bloß kein Stillstand. Je weiter die Dreharbeiten vorangehen, desto mehr verschwimmen Echtzeit- und Filmhandlung in der Romanstruktur.
Mit einer scheinbar oberflächlichen Auseinandersetzung dringt Jörg Albrecht sehr tief in gesellschaftspolitische, aber auch psychologische Prozesse ein. Sein Roman ist ein witziges Chaos. Die kreative Szene Berlins karikiert er bis aufs Äußerste, bleibt gleichzeitig aber immer auf der Seite seiner Protagonisten, die sich in eben genau dieser Szene wiederfinden. Er schafft es, mit einem Schmunzeln eine sehr präzise Zeitdiagnose zu erstellen.
„Beim Anblick des Bildes vom Wolf“ ist ein Roman, der eigentlich kein Roman ist. Erzählfetzen führen den Leser durch das Leben der Kreativen, ihre Ruhelosigkeit, ihre Suche nach Liebe und Glück, untermalt von harscher Kapitalismuskritik und der Auseinandersetzung mit Urbanität und Subkulturen. Es ist nicht leicht, diesen Roman zu fassen. Aber genau diese Mischung aus literarischer Erzählweise und künstlerischem Ausdruck machen den Autor und seinen Roman so interessant.

Klappentext:

Ein Freundeskreis Anfang dreißig, zehn Jahre nach dem Jahrtausendwechsel:
Thies, seine Exfreundin Wanda, Jasper und die Zwillinge Jonte und Pelle. Sie leben als free lancer in einer großen Stadt, deren öffentlicher Raum von Werbung, Gentrifizierung und der Kreativwirtschaft bestimmt wird. Wie immer haben alle zu viele Aufträge angenommen, denn Sichtbarkeit ist alles! Aber neben der Arbeit am eigenen Image geht es irgendwie auch noch um die große Liebe, die allerdings oft mehr Arbeit als Lust bedeutet. Überhaupt haben sich die großen Versprechen von Freiheit und Selbstverwirklichung eher in Selbstausbeutung und prekäre Existenzen aufgelöst. Thies unternimmt Recherchen zur Kreativbranche, führt Interviews mit denen, die in ihr tätig zu sein glauben, und dreht mit seinen Freunden einen Film, der sich der Geschichte der Stadt und der eigenen Vergangenheit zu vergewissern sucht. Dunkle Schatten werden sichtbar, Genderverwirrungen, eine Blutspur scheint sich durch alles zu ziehen. Mutiert man am Ende denn selbst bei Vollmond zum Wolf? Nur im Bild? Im Spiel? Im Theater? Oder am Ende gar im wirklichen Leben, gar im eigenen?

2012-11-25

STIL FÜR BONN, BITTE


Bonn kann sich wirklich sehen lassen. Die Stadt strahlt Anmut, Charme und das gewisse Etwas aus. Sie kleidet sich klassisch elegant durch Jugendstilvillen, Schlösser, Grünanlagen und den Rhein. Moderne Komponenten wie die alternative Altstadt und der versiffte Bahnhof lassen das Stadtbild nicht altbacken, sondern rebellisch wirken und geben ihm den gewissen verranzten Punk-Chic.
Bonn folgt modisch den neusten Trends. Ein clevere Kombination aus traditionellem Stil, Retro-Look a la Plattenbau, nicht-mehr-ganz-so-frischem Beach-Look am Rheinufer mit destruktiven, zerstörerischen Einflüssen des Bonner-Lochs erschafft eine selbstbewusste und mondäne Stadt-Silhouette.
Ganz anders und zum Leidwesen des Stadtbildes dagegen das Bonner Fußvolk. Vornehme Chanel-Omis mit extravaganten Hüten, Business-Frauen im Power-Look oder junge, innovative Modeblogger mit gefärbten Haaren muss man beim Catwalk durch die Innenstadt leider vermissen.
Stattdessen: Bequeme selbst atmende Schuhe kombiniert mit wettertauglichen Kartoffelsäcken in gedeckten Farben – Vorliebe: Okker. An den Oberschenkeln gebleichte Jeans und Kermit-der-Frosch T-Shirt. Und selbstverständlich der Klassiker: Longchamp Tasche, pastellfarbene Hollister-Strickjacke und Timberland Einheitslook.
Wer hat jungen Müttern gesagt, dass das Ich-habe-ein-Kind-Aussehen Müsli-Socken, XXL-Shirts, Schwangerschafts-Leggins und Meg Ryan Haarschnitt beinhaltet? Und wie kommen männliche Studenten auf die Idee nichtssagende Sneaker verbunden mit einem Cordsacko seien besonders lässig?
Googelt man beispielsweise „Mode in Bonn“ empfehlen die Suchmaschinen und Branchenbücher die „Modehäuser“ Colloseum und Tally Weijl.
In Bonn hat man modisch offensichtlich genau drei Möglichkeiten: Spießiger Yuppie, Bioladen-Äußeres oder Kleidung-clever-kaufen-bei-Kik-Erscheinungsbild.
Trifft man keine dieser Modetendenzen kann man sich entweder mit Hippie-Glitzer- oder Plastikblumen-Haarband der alternativen Bonner Party Society anschließen, die im Schnitt etwa die Altersgruppe dreizehn bis siebzehn abdeckt, oder man wird eben geächtet.
Trägt man einen Pelzmantel ist man Kommentaren wie „Da steht Godzilla“ ausgesetzt. Trägt man Dr. Martens ist man entweder ein Anarchist, was in der konservativen Ex-Hauptstadt nicht sehr gern gesehen wird, oder ein Nazi, was noch weniger ankommt. Lange Röcke sind ein Zeichen dafür, dass man sich unmittelbar auf dem Weg zu einem Mittelaltermarkt befindet. Schwarze lange Röcke im Besonderen lassen das Bonner Publikum glauben, man hätte sich im Tag geirrt und gehe als Mitglied der Adams Family auf eine Halloween Party. Weite Fledermaus-Oberteile werden von der männlichen Bonner Bevölkerung als unsexy beschimpft. High Heels und Lippenstift dagegen vermitteln offenbar den Eindruck, man sei eine Prostituierte oder zumindest so willig, dass man sich gerne die zwanzig „Hey sexy Lady“-Kommentare auf dem Weg zur Bar anhört. Und Männer mit langen Haaren sind ungepflegt, unseriös und wählen in jedem Fall die Linke.
Wie kann in einer Stadt, die so schön und gepflegt ist, kein Sinn für Mode entstehen? Wie kann in einer Region, in der das alljährliche Verkleiden an Karneval derartig manisch betrieben wird, nicht der Wunsch aufkommen, auch im Alltag sein Äußeres aufzumotzen? Und was bedeutet diese völlige Unlust sich auch nur ein bisschen mit Mode und dem  Stil der Zeit auseinanderzusetzen eigentlich für das Bonner Kulturgut?
 Eine Stadt ist nicht innovativ, nicht künstlerisch, nicht tolerant und nicht freigeistig, wenn man auf der Straße aufgrund seines Aussehens permanent angestarrt wird als trüge man ein Hasenkostüm. Sei es die Frisur, sei es das Make-Up, sei es die Montur. Die Bonner müssen endlich lernen zwischen gut gekleidet und völliger Irrer unterscheiden zu können. Sie müssen lernen, dass ihre Anteilnahme und Vermittlung an Kunst, Kultur und Politik besondere Menschen anlockt. Menschen, die eine Stadt durch Vielfalt, Außergewöhnlichkeit und Extravaganz bereichern. Ihre Verachtung, Missbilligung und Erstaunen ob eines abenteuerlichen Outfits können sich die Bonner Einwohner wirklich sparen - und endlich cool werden.

2012-11-16

GEISTER - ÄSTHETIK

Choi Xoo Ang


Sam Jinks

Ron Mueck

Ron Mueck

Sam Jinks

Sam Jinks

Bildliche Skulpturen haben oft etwas faszinierend Gruseliges. Man muss meistens mehrmals hinschauen, um überhaupt glauben zu können, dass diese Mischungen aus Latex, Glas, Silikon und Malerei keine echten Menschen sind. Die Ähnlichkeit mit realen Lebewesen, die durch die kleinsten Details zustande kommt, macht menschliche Skulpturen erschreckend und finster. Ihre Haut sieht aus wie wirkliche, echte Haut mit Falten und Poren. Sie wirken wie versteinert, erinnern an Tod und verschaffen Unbehagen. 
Sam Jinks scheint es mit seinen Arbeiten zusätzlich darauf anzulegen, den Betrachtern seiner Skulpturen ein beklemmendes Gefühl zu vermitteln. Selbst der weiße Hintergrund und die weißen Kleidungsstücke wirken nicht hoffnungsvoll, clean oder unschuldig. Es schafft eine unangenehme Krankenhausatmosphäre oder mutet gespenstisch an wie eine weiße Leere im Jenseits. Er verbindet seine Skulpturen mit einer Wand, sodass sie wie aufgehängt erscheinen. Das erinnert schnell an Jesus, der am Kreuz festgenagelt ist und gibt den Skulpturen einen sakralen und verstörenden Charakter.
Diese Skulpturen kann man nicht als simple Kunstgegenstände wahrnehmen. Sie verwirren, sind unheimlich und üben gleichzeitig eine unglaubliche Faszination aus. Es macht sie besonders, weil Kunst selten so viele ambivalente Emotionen auslöst.

gesehen bei: milk made
Sam Jinks Homepage

2012-11-12

THE MAN WHO SHOT THE SEVENTIES










Künstler: Mick Rock

PATTI JORDAN











Die in New York geborene Künstlerin Patti Jordan bricht in ihren Gemälden mit traditionellen Denk- und Arbeitsweisen  der bildenden Kunst.  Indem sie den Gestaltungsprozess des Druckens unter Verwendung von Tinte, Wasser, Lösungsmittel und Grafit neu interpretiert, formt sie hybride Graphiken und spielt mit gewohnten Assoziationen des Betrachters. Sie drückt und gießt diese Materialien mit einem Stahllineal auf Skizzenpapier und kreiert Bilder, die durch den Kontrast von Transparenz und Deckkraft, schwarz und weiß, Abstraktion und vermeintlicher Realität, dem Betrachter  neue Sichtweisen präsentieren. Ihre, an botanische, animalische und organische Formen erinnernde Werke, werden durch ihre jeweiligen zweideutigen Titel in den Kontext der Naturwissenschaften gebettet und wirken wie eine Momentaufnahme eines Prozesses der vermeintlich fremd aber nicht unnatürlich wirkt. 


S.


Künstler: Patti Jordan

2012-11-10

ABBEY WATKINS



Illustrationen von: Abbey Watkins

2012-11-06

POTRAIT VON DON HERRON

Portrait von Don Herron
Fotograph: Robert Mapplethorpe
gesehen bei: lynnandhorst

CHRISTIAN LHOPITAL



Künstler: Christian Lhopital
gesehen bei: darksilenceinsuburbia

CLEMENS FANTUR






Fotograph: Clemens Fantur
gesehen bei: ineedaguide

2012-11-01

WIR LIEBEN GIRLS !




Die neue HBO Serie „Girls“ lief schon am 15. April 2012 an. Seitdem wurde sie in allen erdenklichen Medien, von Glamour bis hin zum Feuilleton der Zeit, rauf und runter rezensiert. Zuerst als Sex and the City Verschnitt, der für alle Fans endlich die nach dem Ende der Serie entstandene Lücke schließen wird. Dann als realistischere und authentischere Anti - Sex and the City Serie. Zeit, dass wir unseren Senf dazu geben.

Die offensichtlichen Parallelen zwischen Girls und Sex and the City sind nicht von der Hand zu weisen. Es geht um das Leben, die Liebe und den Sex von vier Freundinnen, die in New York leben.
Mehr Gemeinsamkeiten lassen sich aber kaum feststellen. 
Entzückt doch Hauptdarstellerin Lena Dunham als Hannah direkt in der ersten Folge mit der unglamourösesten Art Spaghetti zu essen, die man sich nur vorstellen kann. Während sie verzweifelt versucht, ihren Eltern klar zu machen, dass sie deren finanzielle Unterstützung weiterhin nötig hat, um Autorin zu werden und nebenher vor allem zu sich selbst zu finden, schiebt sie sich schmatzend und nuschelnd gabelweise Nudeln in den Mund. Doch die Eltern zeigen kein Erbarmen. Hannah soll gefälligst zwei Jahre nach ihrem College Abschluss endlich eigenes Geld verdienen.
Die hängt allerdings seit einem Jahr in einem unbezahlten Praktikum und einer Affäre mit einem scheinbar bindungsunfähigen Typ fest.
Konfrontiert mit finanziellen Problemen, genereller Ahnungslosigkeit, verzweifelter Selbstfindung und daraus resultierenden Selbstzweifeln, Geschlechtskrankheiten, ein paar Kilo zu viel und natürlich den eigenen Gefühlen, demonstriert Hannah auf eine unglaublich sarkastische und witzige Art den Überlebenskampf junger, kreativer und chronisch unterfinanzierter junger Frauen.
Auch ihre Freundinnen sind leicht überfordert. Marnie (Allison Williams) hat seit Jahren eine Beziehung mit ihrer gutaussehenden Jugendliebe, die langweilig und im Bett eine Niete ist. Jessa (Jemima Kirke), der selbstbewusste Hippie, der auf der ganzen Welt alle Drogen und alle Männer ausprobiert hat, ist sich ihrer Selbstliebe plötzlich auch nicht mehr so sicher. Und das nervige Anhängsel Shoshanna (Zosie Mamet), panische Jungfrau, lernt man im Verlauf der ersten Staffel lieben. Spätestens wenn sie auf Crack schreiend und nackt durch die Straßen von New York rennt, weil sie glaubt, der Freund, der auf sie aufpassen will, sei ein Vergewaltiger.

Hauptdarstellerin, Autorin und Entwicklerin der Serie, Lena Dunham, bekommt mit ihren 25 Jahren allerdings ziemlich viel auf die Reihe. Nämlich eine Serie, die wahnsinnig lustig, unglaublich real und liebenswert ist. Und der es im Übrigen nicht im Ansatz gerecht wird, sie mit Sex and the City zu vergleichen.
L.