2012-11-26

BEIM ANBLICK DES BILDES VOM WOLF



„Ja, Glamour ist Arbeit. Das weiß jeder hier.“
Fünf kulturschaffende Freunde, Anfang Dreißig, in der Kreativbranche.
Die Zwillinge Jonte, Computergamekomponist, und Pelle, Animationszeichner, Thies, der Spezialist für Texte, seine Exfreundin und Modedesignerin Wanda und Jasper als erfolgreich erfolgloser Filmregisseur. Sie alle sind Anfang des neuen Jahrtausends nach Berlin gekommen, um irgendwas zu machen, was vor ihnen noch keiner gemacht hat - zumindest nicht dort, wo sie herkommen.
Der Autor Jörg Albrecht zeigt in seinem Roman das zerrissene, rhythmuslose Lebensgefühl der Kreativen anhand einer Mischung aus Erzählstruktur, monologischen Einwänden, ständigen Perspektivwechseln und Gedankenskizzen auf. Seine Sprache ist wie die Stadt selbst: Hektisch, ruhelos, manchmal aber auch langatmig und stockend.
Die vier Kreativen bewegen sich zwischen Virtualität und Realität. Sie beginnen, zusammen einen Film zu drehen. Es muss mal wieder was Neues her, ein neues Projekt, eine neue Aufgabe, bloß kein Stillstand. Je weiter die Dreharbeiten vorangehen, desto mehr verschwimmen Echtzeit- und Filmhandlung in der Romanstruktur.
Mit einer scheinbar oberflächlichen Auseinandersetzung dringt Jörg Albrecht sehr tief in gesellschaftspolitische, aber auch psychologische Prozesse ein. Sein Roman ist ein witziges Chaos. Die kreative Szene Berlins karikiert er bis aufs Äußerste, bleibt gleichzeitig aber immer auf der Seite seiner Protagonisten, die sich in eben genau dieser Szene wiederfinden. Er schafft es, mit einem Schmunzeln eine sehr präzise Zeitdiagnose zu erstellen.
„Beim Anblick des Bildes vom Wolf“ ist ein Roman, der eigentlich kein Roman ist. Erzählfetzen führen den Leser durch das Leben der Kreativen, ihre Ruhelosigkeit, ihre Suche nach Liebe und Glück, untermalt von harscher Kapitalismuskritik und der Auseinandersetzung mit Urbanität und Subkulturen. Es ist nicht leicht, diesen Roman zu fassen. Aber genau diese Mischung aus literarischer Erzählweise und künstlerischem Ausdruck machen den Autor und seinen Roman so interessant.

Klappentext:

Ein Freundeskreis Anfang dreißig, zehn Jahre nach dem Jahrtausendwechsel:
Thies, seine Exfreundin Wanda, Jasper und die Zwillinge Jonte und Pelle. Sie leben als free lancer in einer großen Stadt, deren öffentlicher Raum von Werbung, Gentrifizierung und der Kreativwirtschaft bestimmt wird. Wie immer haben alle zu viele Aufträge angenommen, denn Sichtbarkeit ist alles! Aber neben der Arbeit am eigenen Image geht es irgendwie auch noch um die große Liebe, die allerdings oft mehr Arbeit als Lust bedeutet. Überhaupt haben sich die großen Versprechen von Freiheit und Selbstverwirklichung eher in Selbstausbeutung und prekäre Existenzen aufgelöst. Thies unternimmt Recherchen zur Kreativbranche, führt Interviews mit denen, die in ihr tätig zu sein glauben, und dreht mit seinen Freunden einen Film, der sich der Geschichte der Stadt und der eigenen Vergangenheit zu vergewissern sucht. Dunkle Schatten werden sichtbar, Genderverwirrungen, eine Blutspur scheint sich durch alles zu ziehen. Mutiert man am Ende denn selbst bei Vollmond zum Wolf? Nur im Bild? Im Spiel? Im Theater? Oder am Ende gar im wirklichen Leben, gar im eigenen?