Bonn folgt modisch den neusten Trends. Ein clevere Kombination aus traditionellem Stil, Retro-Look a la Plattenbau, nicht-mehr-ganz-so-frischem Beach-Look am Rheinufer mit destruktiven, zerstörerischen Einflüssen des Bonner-Lochs erschafft eine selbstbewusste und mondäne Stadt-Silhouette.
Ganz anders und zum Leidwesen des Stadtbildes dagegen das
Bonner Fußvolk. Vornehme Chanel-Omis mit extravaganten Hüten, Business-Frauen
im Power-Look oder junge, innovative Modeblogger mit gefärbten Haaren muss man
beim Catwalk durch die Innenstadt leider vermissen.
Stattdessen: Bequeme selbst atmende Schuhe kombiniert mit
wettertauglichen Kartoffelsäcken in gedeckten Farben – Vorliebe: Okker. An den
Oberschenkeln gebleichte Jeans und Kermit-der-Frosch T-Shirt. Und
selbstverständlich der Klassiker: Longchamp Tasche, pastellfarbene
Hollister-Strickjacke und Timberland Einheitslook.
Wer hat jungen Müttern gesagt, dass das
Ich-habe-ein-Kind-Aussehen Müsli-Socken, XXL-Shirts, Schwangerschafts-Leggins
und Meg Ryan Haarschnitt beinhaltet? Und wie kommen männliche Studenten auf die
Idee nichtssagende Sneaker verbunden mit einem Cordsacko seien besonders
lässig?
Googelt man beispielsweise „Mode in Bonn“ empfehlen die
Suchmaschinen und Branchenbücher die „Modehäuser“ Colloseum und Tally Weijl.
In Bonn hat man modisch offensichtlich genau drei Möglichkeiten: Spießiger Yuppie, Bioladen-Äußeres oder Kleidung-clever-kaufen-bei-Kik-Erscheinungsbild.
In Bonn hat man modisch offensichtlich genau drei Möglichkeiten: Spießiger Yuppie, Bioladen-Äußeres oder Kleidung-clever-kaufen-bei-Kik-Erscheinungsbild.
Trifft man keine dieser Modetendenzen kann man sich
entweder mit Hippie-Glitzer- oder Plastikblumen-Haarband der alternativen
Bonner Party Society anschließen, die im Schnitt etwa die Altersgruppe dreizehn
bis siebzehn abdeckt, oder man wird eben geächtet.
Trägt man einen Pelzmantel ist man Kommentaren wie „Da steht
Godzilla“ ausgesetzt. Trägt man Dr. Martens ist man entweder ein Anarchist, was
in der konservativen Ex-Hauptstadt nicht sehr gern gesehen wird, oder ein Nazi,
was noch weniger ankommt. Lange Röcke sind ein Zeichen dafür, dass man sich
unmittelbar auf dem Weg zu einem Mittelaltermarkt befindet. Schwarze lange
Röcke im Besonderen lassen das Bonner Publikum glauben, man hätte sich im Tag
geirrt und gehe als Mitglied der Adams Family auf eine Halloween Party. Weite
Fledermaus-Oberteile werden von der männlichen Bonner Bevölkerung als unsexy
beschimpft. High Heels und Lippenstift dagegen vermitteln offenbar den
Eindruck, man sei eine Prostituierte oder zumindest so willig, dass man sich
gerne die zwanzig „Hey sexy Lady“-Kommentare auf dem Weg zur Bar anhört. Und Männer
mit langen Haaren sind ungepflegt, unseriös und wählen in jedem Fall die
Linke.
Wie kann in einer Stadt, die so schön und gepflegt ist, kein
Sinn für Mode entstehen? Wie kann in einer Region, in der das alljährliche
Verkleiden an Karneval derartig manisch betrieben wird, nicht der Wunsch
aufkommen, auch im Alltag sein Äußeres aufzumotzen? Und was bedeutet diese
völlige Unlust sich auch nur ein bisschen mit Mode und dem Stil der Zeit auseinanderzusetzen eigentlich
für das Bonner Kulturgut?