2012-11-25

STIL FÜR BONN, BITTE


Bonn kann sich wirklich sehen lassen. Die Stadt strahlt Anmut, Charme und das gewisse Etwas aus. Sie kleidet sich klassisch elegant durch Jugendstilvillen, Schlösser, Grünanlagen und den Rhein. Moderne Komponenten wie die alternative Altstadt und der versiffte Bahnhof lassen das Stadtbild nicht altbacken, sondern rebellisch wirken und geben ihm den gewissen verranzten Punk-Chic.
Bonn folgt modisch den neusten Trends. Ein clevere Kombination aus traditionellem Stil, Retro-Look a la Plattenbau, nicht-mehr-ganz-so-frischem Beach-Look am Rheinufer mit destruktiven, zerstörerischen Einflüssen des Bonner-Lochs erschafft eine selbstbewusste und mondäne Stadt-Silhouette.
Ganz anders und zum Leidwesen des Stadtbildes dagegen das Bonner Fußvolk. Vornehme Chanel-Omis mit extravaganten Hüten, Business-Frauen im Power-Look oder junge, innovative Modeblogger mit gefärbten Haaren muss man beim Catwalk durch die Innenstadt leider vermissen.
Stattdessen: Bequeme selbst atmende Schuhe kombiniert mit wettertauglichen Kartoffelsäcken in gedeckten Farben – Vorliebe: Okker. An den Oberschenkeln gebleichte Jeans und Kermit-der-Frosch T-Shirt. Und selbstverständlich der Klassiker: Longchamp Tasche, pastellfarbene Hollister-Strickjacke und Timberland Einheitslook.
Wer hat jungen Müttern gesagt, dass das Ich-habe-ein-Kind-Aussehen Müsli-Socken, XXL-Shirts, Schwangerschafts-Leggins und Meg Ryan Haarschnitt beinhaltet? Und wie kommen männliche Studenten auf die Idee nichtssagende Sneaker verbunden mit einem Cordsacko seien besonders lässig?
Googelt man beispielsweise „Mode in Bonn“ empfehlen die Suchmaschinen und Branchenbücher die „Modehäuser“ Colloseum und Tally Weijl.
In Bonn hat man modisch offensichtlich genau drei Möglichkeiten: Spießiger Yuppie, Bioladen-Äußeres oder Kleidung-clever-kaufen-bei-Kik-Erscheinungsbild.
Trifft man keine dieser Modetendenzen kann man sich entweder mit Hippie-Glitzer- oder Plastikblumen-Haarband der alternativen Bonner Party Society anschließen, die im Schnitt etwa die Altersgruppe dreizehn bis siebzehn abdeckt, oder man wird eben geächtet.
Trägt man einen Pelzmantel ist man Kommentaren wie „Da steht Godzilla“ ausgesetzt. Trägt man Dr. Martens ist man entweder ein Anarchist, was in der konservativen Ex-Hauptstadt nicht sehr gern gesehen wird, oder ein Nazi, was noch weniger ankommt. Lange Röcke sind ein Zeichen dafür, dass man sich unmittelbar auf dem Weg zu einem Mittelaltermarkt befindet. Schwarze lange Röcke im Besonderen lassen das Bonner Publikum glauben, man hätte sich im Tag geirrt und gehe als Mitglied der Adams Family auf eine Halloween Party. Weite Fledermaus-Oberteile werden von der männlichen Bonner Bevölkerung als unsexy beschimpft. High Heels und Lippenstift dagegen vermitteln offenbar den Eindruck, man sei eine Prostituierte oder zumindest so willig, dass man sich gerne die zwanzig „Hey sexy Lady“-Kommentare auf dem Weg zur Bar anhört. Und Männer mit langen Haaren sind ungepflegt, unseriös und wählen in jedem Fall die Linke.
Wie kann in einer Stadt, die so schön und gepflegt ist, kein Sinn für Mode entstehen? Wie kann in einer Region, in der das alljährliche Verkleiden an Karneval derartig manisch betrieben wird, nicht der Wunsch aufkommen, auch im Alltag sein Äußeres aufzumotzen? Und was bedeutet diese völlige Unlust sich auch nur ein bisschen mit Mode und dem  Stil der Zeit auseinanderzusetzen eigentlich für das Bonner Kulturgut?
 Eine Stadt ist nicht innovativ, nicht künstlerisch, nicht tolerant und nicht freigeistig, wenn man auf der Straße aufgrund seines Aussehens permanent angestarrt wird als trüge man ein Hasenkostüm. Sei es die Frisur, sei es das Make-Up, sei es die Montur. Die Bonner müssen endlich lernen zwischen gut gekleidet und völliger Irrer unterscheiden zu können. Sie müssen lernen, dass ihre Anteilnahme und Vermittlung an Kunst, Kultur und Politik besondere Menschen anlockt. Menschen, die eine Stadt durch Vielfalt, Außergewöhnlichkeit und Extravaganz bereichern. Ihre Verachtung, Missbilligung und Erstaunen ob eines abenteuerlichen Outfits können sich die Bonner Einwohner wirklich sparen - und endlich cool werden.